Build your dream - Eigenbau eines Klassikers

Build your dream - Eigenbau eines Klassikers

Veröffentlicht von , 12. Juni 2013

VON HENDRIK JAESCHKE

Als bei Andreas Kranz Mitte der 90er Jahre eine Kiste mit einer Unmenge an Holz- und Kleinteilen in Borken eintraf, staunte er nicht schlecht. Nun ja, was nimmt man nicht alles für sein Hobby auf sich? Vom ersten Schock erholt, ließ er sich nicht entmutigen und begann in strukturierter Kleinarbeit die Tragflächen für seinen großen Traum zusammenzubauen: Der Steen Skybolt.

Bereits einige Jahre zuvor war er nach einem Probeflug vom Skybolt infiziert und der Gedanke, diesen Flieger selbst zu bauen, ließ ihn seither nicht mehr los. Nachdem Andreas sich die Baupläne aus den USA zukommen ließ, um einzuschätzen, ob er ein solches Projekt stemmen kann, entschloss er sich, zunächst den Tragflächenbausatz zu bestellen. Nach der Fertigstellung der Tragflächen, holte der Flugzeugenthusiast den Bocholter Werner Enk mit ins Boot, der bereits eine langjährige Erfahrung im Aufbau von Flugzeugen vorweisen kann. Als nächstes Bauteil stand der Rumpf bevor.

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Der von Steen Aero Lab aus den USA gelieferte Gitterrohrahmen aus Stahl wurde zuvor von einem erfahrenen Flugzeugschweißer per Lasermessung exakt angefertigt und war das einzige größere Teil des Flugzeuges, das in einem vorgefertigten Zustand bei dem Zwei-Mann-Projekt eintraf. Doch damit nicht genug, der Rumpf verlangte zahlreiche Arbeiten den Innenausbau betreffend: Der Tank mit dem kompletten Kraftstoffsystem, die Ruderanschlüsse mit den dazugehörigen Seilzügen, das hydraulische Bremssystem, die elektrische Verkabelung, die Instrumentierung mit ihren Anschlüssen und Abnahmen, Sitze, Gurte, weitere mechanische Bauteile, Halterungen, Kleinteile und, und, und.

Eines der spannendsten Bauabschnitte war ohne Frage die Anpassung der Tragflächen an den Rumpf. Hier war höchste Präzision gefragt. Platz für Experimente gibt es nicht, denn es gibt nur einen Versuch! Löcher werden eben nur einmal in eine Tragfläche gebohrt und können nicht mehr verschlossen werden. Diesen wunden Punkt überwunden, wurden die Baugruppen miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt. Der anschließende Bau und die Montage der Flugzeughaube gestaltete sich ähnlich aufwendig.

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Zwischenzeitlich traf auch der 300PS-starke Motor ein – ein 1600 Stunden alter, grundüberholter 6-Zylinder von Lycoming. Die Überholung nutzen beide dazu, den Motor komplett neu zu lackieren und die Zylinderkopfdeckel zu verchromen – ein Unikat! Zu guter Letzt erfolgte der Eigenbau der Cowling, der Abdeckung des Motors, für die es weder Vorarbeiten, noch Muster gab, da sie der Form des modifizierten Lycomings entsprechen musste.

Ein weiterer Moment, der besonders starke Nerven kostete, war die Belastungsprobe der Flugzeugzelle. Da ein Kunstflugzeug besonderen Belastungen standhalten muss, war dies mit vorgegebenen Verfahren nachzuweisen. „Das hat mir deutlich mehr Schweißperlen bereitet, als der gesamte Bau des Flugzeuges“, so Andreas Kranz. Hierfür wurde das Flugzeug in einer speziellen Vorrichtung am Boden verschraubt und das Höhenleitwerk mit einem Gesamtgewicht von 280kg belastet. Die beiden Tüftler mussten unter Aufsicht neutraler Zeugen nachweisen, dass sich der Rumpf des Flugzeuges nur in einem gewissen Bereich biegt.
Aber Andreas Kranz und Werner Enk wären nicht die Perfektionisten die sie sind, wenn nicht auch die Bespannung und Lackierung etwas Besonderes wären. Um Fehler am „richtigen“ Flieger zu vermeiden, wurde ein Teil der Tragfläche nachgebaut. Diese musste solange zum Üben herhalten, bis sie den Dreh raushatten eine einwandfreie Oberfläche zu erhalten. Hierzu zählte unter anderem auch eine aufwendige Vorbehandlung des Bespannstoffes. Das Highlight der Lackierung stellt der handgemalte Footballspieler mit einer Wolke in der Hand dar, der den Namen des Flugzeuges „Cloudbandit“ wiederspiegelt.

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Doch so schnell sich der Bericht liest, war die Arbeit an dem Flieger nicht. Ganze zehn Jahre sind mittlerweile vergangen, die viel Ausdauer und Kopfzerbrechen forderten, bis der Erstflug im Sommer 2006 bevorstand. Die Endmontage erfolgte am Flugplatz Borken-Hoxfeld. Den ersten Flug absolvierte der erfahrene Linienpilot und langjährige Motor- und Segelflieger Jörg Vorderberg, nachdem er das Flugzeug ausgiebig überprüfte. Der Atem stand still: Plötzlich hebt die jahrelange Arbeit ab und fliegt! Der Bogen des Perfektionismus schloss sich, da keinerlei Einwände gegenüber dem Flugverhalten und der Arbeit entstanden – der Cloudbandit flog perfekt! Das sollte sich auch auszahlen. So wurde der Skybolt aus Borken im August 2008 von der Oskar-Ursinus-Vereinigung, dem Verein zur Förderung des Flugzeugeigenbaus, für die beste Bauausführung ausgezeichnet. Darüber hinaus sind Werner Enk und Andreas Kranz im Mai 2009 einer Einladung gefolgt und haben Deutschland im italienischen Turin mit ihrem Eigenbau bei den World Air Games in der Klasse der Flugzeug-Eigenbauten vertreten.
Da beide nun der Virus gepackt hat, sollte dies nicht der letzte Skybolt sein, der die Hallentore in Borken verlässt. Andreas Kranz hat den Vertrieb der Baupläne und Bausätze der Flugzeuge für Deutschland übernommen und unterstützt mit seiner Firma aero-systems mit Erfahrungen im Flugzeugbau des Kunstflug-Doppeldeckers. Fünf Projekte hat er bereits vermittelt und ein nahezu fertiggestellter Skybolt befindet sich in der letzten Bauphase und wartet auf seinen ersten Flug. Trotz des Aufwandes ist er jedoch überzeugt davon, dass der Bau „im Grunde nur ein großes Modellflugzeug“ darstellt.

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