Der Schlüssel zu mehr Flugsicherheit?

Text, Fotos: Volker Engelmann, ATO NRW-Sicherheitsbeauftragter und Vorsitzender der Motorflugkommission NRW

Der Schlüssel zu mehr Flugsicherheit?

Veröffentlicht von , 07. Januar 2021

Text, Fotos: Volker Engelmann, ATO NRW-Sicherheitsbeauftragter und Vorsitzender der Motorflugkommission NRW

Der Schlüsselanhänger als Zeichen unserer Passion – wie wichtig ein solcher „roter Lappen“ für unsere Luftfahrt sein kann, stellt der folgende Artikel dar.

Wir alle sind „schlüsselabhängig“. Ob Auto, Flugzeug, Haustür, Werkstatt, Flugzeughalle – „Nichts geht“ ohne Schlüssel. Und weil wir unsere Schlüssel liebend gerne auch mal suchen oder verlegen, zieren wir sie mit Anhängern. Um sie zu individualisieren und vor allem, um sie schneller wiederzufinden. Hundebesitzer hängen sich ein Foto oder sonstiges Abbild ihres treuen Begleiters an den Schlüsselbund, Motorradfahrer häufig die Motorradmarke, andere Schmücken ihren Fahrzeugschlüssel mit einem Stern oder vier Ringen. Viele Piloten tragen am Schlüsselbund einen REMOVE BEFORE FLIGHT Anhänger, als Zeichen ihrer Passion für die Luftfahrt. Kaum etwas symbolisiert indirekt charakteristischer die Fliegerei so sehr, wie dieser kleine rote Streifen mit den drei Worten. Nichts wurde früher häufiger als Souvenir „mitgenommen“, als dieser rote Lappen!

Die Flugvorbereitung nach längerer Pause

Ein Blick in die Zukunft: Sobald Winter und Lockdown vorbei sind – nichts wie hin zum Flugplatz und den Flieger startklar machen. Die ersten Sonnenstrahlen seit langem erwärmen wieder den Boden unseres tollen Planeten Erde. Das Leben erwacht… nicht nur in unseren Vereinen, an den Flugplätzen, den Kinderspielplätzen und in den Gärten der Häuser – nein, auch die Natur erwacht aus dem Winterschlaf. Überall raschelt es und die ersten Insekten tummeln sich im Sonnenschein. Frühlingsgefühle. Kaum zu glauben, wie sehr wir uns darauf gefreut haben, die Wärme, die Sonne, die Gerüche – die Natur. So geht es jedoch nicht nur uns Menschen, sondern eben auch den anderen Bewohnern unseres Planeten. Alles kreucht und fleucht und die Winterschläfer verlassen ihre Winterquartiere.

Sicher fliegen – Ergebnis von Schulung, Training, Einstellung und Technik

Hier gilt es, besondere Sorgfalt bei der Vorflugkontrolle walten zu lassen, um auszuschließen, dass sich ein anderer Erdbewohner ausgerechnet unser Flugzeug als Winterquartier gesucht hat.
Spuren von Nistmaterial sind genauso sichtbare Zeichen, wie Mäusekot oder sonstige Fäkalien im Motorraum, in Rumpfröhre, Tragflächen oder im Cockpitbereich.
Aber da gibt es noch ganz andere, die wir so gar nicht wirklich auf unserer Liste der „Mitbewohner“ haben. Insekten suchen sich kleine Spalte, Löcher, Hohlräume und dunkle Plätze, um dort zu überwintern. Da bieten sich Zylinderrippen, Luftfilter, Heizungseinlässe und Öffnungen des Drucksystems genauso hervorragend an wie Ecken in Fahrwerksschächten und innerhalb von Tragflächen und Leitwerken.
Im Zeitalter erschwinglicher endoskopischer Kamerasysteme mit flexiblen „Schwanenhälsen“ kommt man so dem ein oder anderen Eindringling schnell und sicher auf die Spur.

Wo bleibt jetzt der Link zu den REMOVE-BEFORE-FLIGHT-Anhängern?

Nicht nur im Winter: Staurohr und Öffnung für den statischen Druck sichtbar verschlossen

Der Verschluss von Öffnungen am Flugzeug

Die Anhänger sind deutlich sichtbares Zeichen dafür, dass hier etwas entfernt werden muss, bevor das Luftfahrzeug geflogen oder angelassen wird. Staurohrabdeckungen, Lufteinlässe, Static-Ports etc. werden durch Verschlüsse gegen Eindringlinge gesichert. Genau so muss es uns jedoch auffallen, wenn diese Abdeckungen beim Abstellen des Flugzeuges fehlt.

Was soll da am Boden schon da reinkommen?
Pitot-Rohr einer Robin DR400R/180

Was soll denn bitteschön da reinkommen?

Ich habe mich früher gefragt, warum ein Staurohr am Boden mit einem Schutz versehen werden muss. Erst ein vor Jahren erschienener Bericht in der Zeitschrift „Flugsicherheit“ der Bundeswehr hat mir genau diese Frage mehr als eindringlich beantwortet. Nachfolgend Auszüge des Berichtes mit freundlicher Genehmigung der Bundeswehr:

„Bei einer Zwischenfluginspektion [nach Landung auf einem anderen Flugplatz] stellte ein Pilot Verunreinigungen im Bereich des rechten Static-Port fest. Daraufhin versuchten Techniker mit einer Pinzette die zunächst nicht zu identifizierenden Fremdkörper zu entfernen. Einzelne Teile dieser Fremdkörper wurden dabei weiter in die Druckleitung geschoben, sodass eine komplette Ausblasung der Stau- und statischen Druckanlage erforderlich war. Das Ausblasen brachte ca. 3 cm lange Rückstände eines Insektennestes zu Tage. […]
Im Rahmen der Zwischenfalluntersuchung wurde das Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr, Abteilung Biologie (AGeoBw Biologie), mit der Bestimmung der Insektenart beauftragt: „Bei den Überresten, die auf den Bildern zu sehen sind, handelt es sich um Nester der Blattschneiderbiene (Familie der Megachilidae). Diese Bienen, auch Tapezierbienen genannt, bauen ihre Nester in Hohlräumen (Baumlöcher, Mauerspalten, sonstige vorhandene Hohlräume) oder graben ihre Nester selber in Pflanzenstengeln, Totholz oder Boden. Die Brutzellen werden mit abgeschnittenen Blattstücken verschiedener Laubbäume, Sträucher oder Kräuter tapeziert; in jede Zelle wird ein Pollenvorrat und ein Ei gelegt und anschließend mit weiteren Blattstücken verschlossen. Die entwickelten Larven spinnen in ihrer Zelle einen Kokon und überwintern dort, um im nächsten Frühjahr als Bienen zu schlüpfen. Blattschneiderbienen sind fast weltweit verbreitet und häufig in der Umgebung menschlicher Behausungen und Gärten anzutreffen. Sie sind wichtige Bestäuber vieler Kultur- und Wildpflanzen; einige Arten werden sogar speziell zur Bestäubung bestimmter Pflanzen gezüchtet. Die Beeinträchtigung der Pflanze durch das Herausschneiden eines Blattstückes ist minimal, eine Bekämpfung daher nicht sinnvoll. Zudem ist die Blattschneiderbiene in Deutschland gesetzlich geschützt. Sobald die Biene nach ihrer Überwinterung schlüpft, wird sie mit dem Nestbau beginnen, also im Frühjahr bis in den Sommer hinein. Die Nester, die von [dem entsprechenden Luftfahrzeug] entfernt wurden, sind also wahrscheinlich vom letzten Jahr.
Wird ein Flugzeug für längere Zeit abgestellt, so wird empfohlen, alle für die Blattschneiderbiene infrage kommenden Hohlräume abzudecken.“

Zwischenfallbericht der Bundeswehr, Auszüge mit freundlicher Genehmigung des Luftfahrtamtes der Bundeswehr (LufABw)
Hier sollen und dürfen Insekten sich wohlfühlen: Insektenhotel

Flugzeuge inmitten unserer Natur

In dem Open Source Wissenschafts- Magazin Plos One (https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0242063 abgerufen am 23.12.2020) wird über eine besondere Insektenspezies berichtet, die eine große Gefahr für die Luftfahrt darstellen kann: die Pachodynerus nasidens Latreille (Hymenoptera: Vespidae).
Die Keyhole Wasp – zu deutsch Schlüssellochwespe – kam früher nur in Süd- und Zentralamerika vor. Zwischenfälle in Australien mit verstopften Staurohren ergaben jedoch eine Untersuchungsnotwendigkeit, bei der festgestellt wurde, dass sich tatsächlich die Wespenart auch immer mehr in Australien ausbreitet und „Übeltäter“ für zahlreiche Zwischenfälle mit verstopften Staurohren und damit einhergehenden falschen oder fehlenden Geschwindigkeitsanzeigen wurde.
Im Rahmen einer Studie sollte dem Phänomen nachgegangen werden. Eine Reihe von Replik-Pitot-Sonden wurde unter Verwendung der 3D-Drucktechnologie konstruiert, die verschiedene Flugzeugstaurohre darstellten und an vier Orten am Flughafen montiert wurden. Die Sonden wurden 39 Monate lang überwacht und bei Benutzung durch Insekten ausgetauscht und erneuert.
Insgesamt wurden während der Studie 93 Fälle vollständig blockierter Sonden registriert. Da die meisten Nester in Pitot-Sonden in Brisbane nur einzellig sind, ist der Nestbau erheblich schneller als die sonst ermittelten Werte von ca. 2,5-4,75 Stunden und kann sich auf die Bereitstellung einer einzelnen Zelle und das Aufbringen eines schließenden Schlammpfropfens beschränken. In Bezug auf die Gefahren für Flugzeuge muss das Nest jedoch nicht vollständig sein: Die erste Zugabe von Schlamm für die hinterste Zellwand (falls erforderlich) oder die Einführung des ersten Beuteguts reicht aus, um anomale Fluggeschwindigkeitsmesswerte als Luftstrom in der Luft zu verursachen. Es wurden Wespen beobachtet, die innerhalb weniger Minuten nach Ankunft am Gate die Flugzeugnasen inspizierten, was auf ein Erfahrungslernen und die Erinnerung an die Nistressource schließen lässt. Das Risiko, das diese Art von Beeinflussung für Flugzeuge am Flughafen Brisbane darstellt, ist erheblich. Um dieses Risiko zu verringern, müssen die Pitot-Sonden bei Ankunft des Flugzeugs abgedeckt werden, empfehlen die Untersucher folglich nun auch für Australien.

Was lernen wir aus den Erfahrungen in Australien?

Diese Untersuchung ist sehr bemerkenswert, weil sie uns vor Augen führt, dass gerade wir an unseren teils wunderschön gelegenen Flugplätzen inmitten der Natur auch Teil der Natur sind. Unsere Fluggeräte können so, sehr schnell, von Insekten als tolle Brutstätte entdeckt und genutzt werden.
Die Bundeswehr hat in ihrer Untersuchung sehr eindringlich dargelegt, dass auch wir in Deutschland Insekten haben, die unsere Flugzeuge genau so lieben, wie wir…

Dies zu verhindern ist recht einfach! So erinnert uns unser Schlüsselanhänger indirekt auch an unsere Aufgabe nach dem Flug: COVER AFTER FLIGHT! Verschließen/ Anbringen nach dem Flug!
Pitot- und Statik-Drucköffnungen immer verschließen! Auch wenn der Flieger nur kurz abgestellt wird!

Jede Vereinskasse freut sich über 5 €uro Erinnerungsgeld…

In diesem Sinne Euch allen einen baldigen und sicheren Start in die neue Flugsaison

Euer
Volker Engelmann
Sicherheitsbeauftragter ATO AEROCLUB NRW
engelmann@aeroclub-nrw.de

Download