Wandersegelflug

Wandersegelflug

Veröffentlicht von , 04. September 2013

Heiko Meertz

Anfang der Saison 2013 hatten Hans Gijrath (SFG Duisburg) und Heiko Meertz die Idee mit dem Segelflugzeug zu ‚wandern’. Dieser Gedanke ist nicht neu.

Schon im Jahre 1935 veröffentlichte Wolf Hirth in der Zeitschrift Flugsport seine Zukunftsgedanken zum ‚Luftwandern’:

„Mit einem Motorsegler und 50 Liter Betriebsstoff kann ein Junge in seinen Sommerferien bestimmt einmal 2000 km zurücklegen. Und das nicht in Hetze, sondern zur Erholung meistens segelnd und nur zum Start und für die letzten Kilometer am Abend den Motor anwerfend. — Es ist einleuchtend, dass diese Jugendwanderer keine Unterstellgebühren auf den Flugplätzen zu bezahlen haben dürfen und daß sie nicht mit der Autotaxe in das beste Hotel der Stadt fahren, sondern in der Flugplatzjugendherberge, einem kleinen, sauberen, wenn auch ganz einfach eingerichteten Zimmerchen schlafen.
Und wenn es 3 Tage regnet? Dann liest der fliegende Schüler ein gutes Buch, er sieht sich die fremde Stadt an oder besucht Fliegerkameraden. Er hat ja Zeit. Wenn jene Zeit gekommen, dann werden in der Prima Aufsätze geschrieben: Wie ich nach Finnland motorsegelte.“

OK, Jungwanderer sind wir nicht wirklich und ganz so viel Zeit, wie sich das Wolf Hirth vorstellte hatten Hans und ich auch nicht. 3 Flug-Wandertage konnten wir für unsere erste Tour einplanen. Wir hatten einfache Regeln: Start während des Fluglagers in Leibertingen, Streckenplanung entsprechend dem ‚besten’ Wetter und nach den paar Tagen wieder zur Landung in Leibertingen eintreffen. Verfolger mit PKW & Anhänger waren nicht eingeplant und damit wurden Landungen auf Flugplätzen ein „Muss“. Hans nutzte den Ventus 2 CT der FSG und ich die DG 800. An den Flugplätzen waren wir also auf einen F-Schlepp oder Windenstart für Hans angewiesen.

Vorbereitung

Im Internet und in Flieger-Zeitschriften gibt es eine ganze Reihe von Reiseberichten zum Wandersegelflug. Was in diesen Berichten fehlt sind Informationen zur Vorbereitung und Ausrüstung. Wir sind grundsätzlich davon ausgegangen, dass wir auf uns selbst angewiesen sind und – abgesehen vom F-Schlepp für Hans – auch ohne Hilfe auskommen müssen. Unsere Ausrüstung und das Gepäck beinhalteten daher neben Kartenmaterial, Kleidung und ‚Werkzeug’ auch jeweils Schlafsack, Isomatte, 2-Taktoel und ein ‚Minizelt’ (= 2 x 2 m Plane). Die genaue Ausrüstungsliste ist unter diesem Link zu sehen und dient als Gedankenstütze:

aus

Im Prinzip kann man mit dieser Reiseausstattung beliebig lange ‚wandern’. Den Mitmenschen und dem Säurehaushalt der Haut zuliebe sollten allerdings ‚Waschtage’ eingeplant werden.
Um für alle möglichst viele Flugrichtungen gewappnet zu sein, haben wir Kartenmaterial zur Schweiz, Österreich, Tschechien und die ICAO Blätter Stuttgart, Nürnberg, München, Frankfurt, Hannover, Berlin mitgenommen. Gleiches war auch in den Segelflugrechner geladen. Hans nuzt iGlide und Heiko XCSoar.
Flugplätze an denen Wandersegelflieger willkommen sind, hinterlegen Start- , Übernachtungsmöglichkeiten und weitere Informationen auf dem Portal ‚Travel by Glider’:
travelbyglider

Die Flugplätze dieses Portals haben wir in den Segelflugrechnern hinterlegt. Zusätzlich hatten wir uns über gute und gastfreundliche Plätze in Tschechien informiert und diese im Rechner gespeichert. Das Facebook Segelflug – Forum ist da eine gute Hilfe und eine Quelle für Tipps und Erfahrungsberichte.

Tag1: Später Start und freundliche Motorflieger

Samstag, 27.Juli 2013 hatten wir für unseren Abflug von Leibertingen geplant. Ein Virus hatte in der Nacht vom Freitag auf Samstag einen Großteil unserer LSV Grenzland Fluglager-Mannschaft dahin gerafft. Nachdem akute Fälle ‚versorgt’ waren und auch eines unserer Nachwuchstalente aus dem Krankenhaus zurück geholt war, konnten wir gegen Nachmittag um ca 15:00 Uhr (loc) starten. Erster Plan war die Strecke Richtung Allgäu, südlich der Münchener Kontrollzone herum und bei Rosenheim wieder nördlich Richtung Deggendorf. Nach dem Start kamen wir nach etwas ‚Gebastel’ ganz gut weg. Und nicht nur wir, sondern auch der Virus ging auf Strecke. Aber dazu später mehr…

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Die Nordkante der Alb sah hervorragend aus und die ‚südlich um München herum’ Planung war schnell gekippt. So schnell kann’s gehen beim Wandern „…dahinten sieht’s aber toll aus…“ und schon geht’s der Wetter-Nase lang.

Unsere Strecke führte uns zügig von Leibertingen über Hayingen, Laichingen nach Ursprung. Von dort bis Aalen Eichingen begegneten uns zahlreiche Flugzeuge eines Wettbewerbs (in Mengen fand die DM statt, in Klippeneck der Klippeneck Wettbewerb). Mittlerweile hatten wir Regensburg Oberhub als Tagesziel grob eingeplant. Auf dem Weg dorthin fiel uns ein Flugplatz bei Weißenburg auf (kleiner Platz, mittelgroße Stadt in der Nähe und… eine Burg).

Hans landete etwa 20 Minuten vor mir und berichtete mir gleich nach meiner Landung dass Oberhub ein reiner Motorflugplatz ist und es keinen F-Schlepp Maschine vor Ort gibt. Und richtig viel los ist da sowieso nicht: an guten Wochenendtagen haben die 6-8 Starts insgesamt.
Dank der freundlichen Unterstützung des Türmers hatten wir innerhalb von 15 Minuten alle Probleme gelöst: die Schlepp-Dimona aus Schwandorf wurde für den nächsten Tag bestellt, um Hans rauszuziehen. Die Inhaberin vom ausgebuchten Gasthof „Metzgerwirt“ im nahen Ort Regenstauf fand auch noch ein Zimmer für uns. Der Türmer brachte uns in den Ort. Duschen, Klamotten waschen und dann klang der Tag im Biergarten des Gasthof aus.

Tag 2: Go east – Go west, Tschechien und Landung vor dem Regen

Bereits um 09:00 Uhr haben wir einen Anruf vom Flugplatz Schwandorf bekommen und den Schlepp für 13:00 Uhr geplant. Unser Plan für den Tag war Pilzen als Wendepunkt im Osten und Weißenburg als Ziel für den Abend. Nach einem Anruf in Weißenburg war klar, dass wir dort willkommen sind und sogar Hallenplätze für unsere Flugzeuge bereitstanden (für den Abend und den nächsten Tag waren Gewitter und Regen vorhergesagt).

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Am Flugplatz wurden wieder die Flugzeuge gepackt und gecheckt. Beim Startaufbau in Regensburg Oberhub fiel uns auf, dass die Landebahnbeleuchtung ca. 18m Abstand zueinander hatte. Also war besondere Vorsicht beim Anrollen geboten. Die Dimona aus Schwandorf landete um kurz nach 13:00 Uhr und wir erhielten vom Schlepppiloten noch wertvolle Hinweise zu den thermisch aktiven Gebieten Richtung Tschechien. Hans startete zuerst im F-Schlepp mit Heiko als Flächenläufer. Trotz der 34 °C ging der Schlepp ganz OK raus und drehte Richtung Norden nach Schwandorf weg. Hans flog von Schwanendorf Richtung Osten und die DG drehte auf halber Strecke zwischen Schwanendorf und Oberhub gen Osten. Bis zum Böhmerwald bewegten wir uns in einer sehr warmen und blubbernden Luftmasse mit mäßiger Blauthermik. Westlich der Höhenzüge des Böhmerwaldes schien die Thermik durch eine Leewirkung noch schlechter zu sein. Dies änderte sich ab Erreichen des Böhmerwaldes bei Waldmünchen. An den Ablösekanten des Höhenzuges bildeten sich ausgeprägte Bärte. Tschechien präsentierte sich uns als ländliches Plateau mit weit entfernten aber ausgeprägten Bärten, welche zuerst bis auf 2000 m Höhe reichten. Städte, Sandgruben und Waldkanten waren zuverlässige Auslöser für Thermik. Wir flogen meistens mit einem Abstand von 5-10 km zueinander und erreichten gegen 16:00 Uhr die ersten Ausläufer der Stadt Pilzen. Die Stadt Pilzen ist industriell geprägt und eine typische Stadt ‚sozialistischer’ Bauart mit breiten Alleen, großen Industrie-Komplexen, Plattenbauten, Kraftwerken und einem riesigen Bahnhof. Über diesem Bahnhof, nördlich von Letkov-Pilzen ging die Basis bis auf 3000 m Höhe. Nach Norden (Richtung Bronkow !) und Richtung Osten (Prag CTR) standen das erste Mal an diesem Tag ausgeprägte Wolkenstraßen. Normalerweise hätten wir hier unseren Plan geändert und wären Richtung Norden geflogen. Dies hätte unseren Wanderflug aber zeitlich um mindestes 2 Flugtage verlängert. Also wie geplant ab Richtung Westen. Bis westlich des Böhmerwaldes flogen wir mit langen Gleitstrecken schnell vor. Über bekanntes deutsches Gebiet flogen wir in schwächer werdender Thermik Richtung Westen an Schwandorf vorbei. Bis in die Platzrunde von Amberg haben wir die Höhe abgeglitten. Dort meldete sich ein unerwarteter und unerwünschter Fluggast in der DG: der Leibertinger Virus klopfte an. Hans grub den letzten Bart des Tages aus und wir kamen ein letztes Mal auf 1500m (msl) und auf Gleitpfad nach Neumarkt in der Oberpfalz. Ich hatte es plötzlich eilig und erreichte als erster Neumarkt. Inzwischen näherten wir uns der von Westen herein ziehenden Front. In toter Luft in der Platzrunde von Neumarkt startete ich den Motor für 5 Minuten. Im folgenden Endanflug auf Weißenburg konnte ich im Funk hören, dass Hans auch den Motor auch bei Neumarkt gestartet hatte.

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Über Weißenburg drehte ich einige Kreise über dem Platz und sah, dass glücklicherweise noch einige Autos am Platz standen. Platzrunde und Anflug auf die 05 verliefen problemlos und das Erstaunen bei den Weissenbuger Segelfliegern war groß als ich um ca. 19:20 ausrollte. „Da kommt noch einer“ war mein erster Kommentar und deren Erstaunen ließ nicht nach als Hans ca. 10 Minuten später landete.
Die Halle war voll und Front und Gewitter kündigten sich deutlich an, als wir die Flugzeuge vor die Halle gezogen hatten. Der Weißenburger Club hat sich kurz abgestimmt und dann (im Regen) seinen kompletten Flugzeugpark wieder ausgeräumt, 2 Flugzeuge an die Decke gezogen und alles inclusive Ventus und DG wieder eingeräumt. Die Hilfsbereitschaft der Kameradinnen und Kameraden war beeindruckend, aber noch nicht zu Ende. Auf unsere Frage, wo wir denn übernachten wollen (Antwort: „Keine Ahnung. Halle oder Gastehof“) wurde in 10 Minuten ein Gasthof für die erste Nacht klargemacht. Für eine zweite Nacht (der nächste Tag sollte nicht fliegbar werden) waren keine Zimmer in der Stadt verfügbar. Schnell war ein Wohnwagen organisiert und wir auch für die zweite Nacht untergebracht. Diese Gastfreundschaft und Freude teilte auch der Leibertinger Virus mit mir und er lief zur Höchstform auf. Nach einem Willkommensgetränk (Cola-Fanta Mix; kein Bier) stellte sich bei mir eine heftige aber ‚reinigende’ Retrogade Peristaltik ein. Nachdem der Leibertiger Virus besiegt war endete der Tag bei Regen und böigem Wind im Kreise der sehr hilfsbereiten und freundlichen Segelflieger-Kollegen von Weißenburg.

Tag 3: Regen und alte Steine schauen

Der Tag startete mit leichtem Regen und es hielt sich 8/8tel Bewölkung über den gesamten Tag. Nicht sinnvoll fliegbar. Wir verbrachten den Tag mit Sightseeing und Vorbereitungen für den Weiterflug. Wolfgang (Kassierer vom Club) brachte uns zum Frühstück einen Autoschlüssel vorbei. Mit dem Kommentar „Damit Ihr mobil seid.“ hat er uns seinen 5er BMW Kombi gebracht. Wir waren ganz schön sprachlos…
Nachdem wir die Flugzeuge gecheckt und die Batterien an Ladegeräte angeschlossen haben, sind wir – wie soll es anders sein – zur Besichtigung der Hohenzollernfestung Würzburg gefahren. Danach haben wir die mittelalterliche Stadt mit ihrem alten Stadtkern und Befestigungsanlagen besucht.

Nach dem Abendessen mit unseren Unterstützern Anna und Christoph wartete in einer Scheune noch eine Überraschung. Eine Do 27 schlummert dort vor sich hin und wartet auf Überholung. Die 60 Liter / Stunde sprechen übrigens gegen eine Nutzung als Schleppflugzeug.

Tag 4: Go West nach Leibertingen

Der Dienstag war auf der Rückseite der Front wieder fliegbar. Vor 13:00 Uhr sind wir gestartet. Nach packen, tanken und checken der Flugzeuge startete wie immer zuerst Hans mit dem Ventus im F-Schlepp, danach die DG 800.
Das Wetter wurde immer besser und über Neresheim, Gerstetten und Ursprung flogen wir die Alb entlang. Nach einem Umweg über Albstadt und Rottweil landete die DG 800 zuerst gegen 19:00 Uhr in Leibertingen. Hans mit dem Ventus nach einer Tour über Villingen und Bodensee ca. 40 Minuten später.

Gstrecke

Wandersegelflug

In unserer vernetzten, durchgeplanten Welt macht den Reiz des Wandersegelflug das unplanbare Ende des Tages aus. Trotz aller Vorbereitung und Planung überlässt man sich zu einem großen Teil der Unterstützung und Hilfe anderer Flieger. Wir hatten wohl großes Glück in Regensburg sowie Weißenburg und wurden sehr freundlich aufgenommen. Ich hoffe, dass diese Gastfreundschaft auch Gästen in Grefrath zuteil wird.
Neben dem fliegerischen Genuss ist die menschliche Komponente eines der großen Erlebnisse des Wandersegelfluges.
Noch mehr hat man davon, wenn mehr Zeit zur Verfügung steht. Die Streckenplanung folgt dann komplett der Wetterentwicklung. Für das nächste Jahr wäre eine Woche Wandersegelflug wünschenswert.
Gut war die Region in der wir uns bewegt haben. Die Flugplatz-Dichte ist so groß, dass wir uns immer im Gleitwinkel eines Platzes bewegt haben und die Strecke von ‚Platz zu Platz’ legen konnten. Der Zeitpunkt Sommerferien ist ideal, da an den meisten Flugplätzen reger Betrieb und Fluglager sind.
Verbesserungen und Empfehlungen die sich aus den paar Tagen ergeben sind folgende:

  • Zur Verbesserung der Kommunikation empfiehlt sich identisches Kartenmaterial. Wir hatten ICAO (DG 800) und Jeppesen (Ventus) Karten dabei. Auch die Verwendung der gleichen Navigationssoftware wäre wünschenswert, ist aber wohl Geschackssache.
  • Bei Blauthermik hilft es enger beieinander zu fliegen und die Anstände nicht zu groß werden zu lassen.
  • Gemeinsamer Startpunkt: Durch die unterschiedlichen Startarten macht es Sinn, einen Startpunkt zu vereinbaren an dem man sich trifft und dann gemeinsam auf Strecke geht.

DANKE:
Mein persönlicher Dank gilt nicht nur den fremden Fliegern die uns so freundlich aufgenommen haben, sondern auch den Teilnehmern des Fluglagers – insbesondere den Fluglehrern Uwe, Torsten und Helge – welche den Fluglehrerdienst an den Wandertagen alleine wahrgenommen haben. Vielen Dank!