Wie nur wenige hat Ilse Fastenrath die Geschichte der Fliegerei im Sauerland und im Besonderen der Fliegergruppe Plettenberg-Herscheid geprägt. Vor allem aber hat sie sich in einer Zeit einen Namen als junge und erfolgreiche Frau im Kunstflug gemacht, als der Luftsport eine männerdominierte Szene war – und lange bevor es eine Diskussion über Frauenquoten gab.
Dabei war ihr die Leidenschaft für das Fliegen und vermutlich auch das nötige Talent in die Wiege gelegt worden. Ilse Fastenrath wurde am 20. September 1915 in Plettenberg im Sauerland geboren. Ihr Vater war der Industrielle Ernest E. Fastenrath, der bereits 1911 mit einem selbst gebauten Motorflugzeug erste Flugversuche unternommen und im Ersten Weltkrieg in der deutschen Fliegertruppe gedient hatte. An der Seite ihres Vaters saß sie auch 1928 zum ersten Mal als Passagierin in einem Flugzeug. Ermutigt durch ihn wandte sich Ilse früh dem Flugsport zu und erwarb bereits im Sommer 1932 ihren B-Schein im Segelflug. Kurz darauf begann sie in Köln bei dem bekannten Piloten Jakob Möltgen, der auch der Fluglehrer von Liesel Bach war, ihre Motorflugausbildung. Beim einjährigen Jubiläum des Plettenberger Flugsportvereins im Oktober 1933, zu dessen Mitbegründern sie und ihr Vater gehört hatten, absolvierte die junge Fliegerin ihren ersten öffentlichen Auftritt, als sie mit einer Klemm Kl 25 auf dem Vereinsgelände landete. Ilse hatte zu dieser Zeit bereits alle Bedingungen für den Sportflugschein abgelegt, durfte diesen aber erst nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres im September 1934 in Empfang nehmen. Für einige Zeit blieb Ilse das einzige weibliche Mitglied des Plettenberger Flugsportvereins, den sie als „Ilse vom Sauerland“ zwischen 1934 und 1937 auf zahlreichen Veranstaltungen im In- und Ausland repräsentierte. Vater Fastenrath, vom Talent seiner Tochter beeindruckt, bestellte ihr zu ihrem 19. Geburtstag beim Fieseler-Flugzeugbau eine 5R, ein zweisitziges, 90 PS starkes und 220 Stundenkilometer schnelles Flugzeug, dem ein spezieller Kunstflug-Vergaser eingebaut worden war.
Ilses Kunstflugvorführungen und insbesondere ihre erfolgreiche Teilnahme am Kunstflugwettbewerb der Damen während der Olympiade 1936, wo sie den dritten Platz belegte, brachten sie wiederholt in die Schlagzeilen und auf Titelseiten. Fastenrath nahm an der Luftfahrtwerbewoche in Hagen 1935 teil, an einem Wettflug in Scheveningen/Holland 1936, am 2. Belgischen Rundflug 1936, am Devauer Flugtag in Ostpreußen 1936, am Internationalen Pfingstfliegertreffen in Eelde bei Groningen in Holland 1936, am Großflugtag in Hamm 1936, am Internationalen Sternflug zum Balaton 1936, weiterhin an Flugveranstaltungen in Frankreich und England. Die britische Fachzeitschrift „Flight“ berichtete über Fastenraths Auftritt auf dem Internationalen Fliegertreffen in Lympne im Herbst 1936, wo sie gemeinsam mit ihrem Mitstreiter Paul Förster silberne Ehrenplaketten aus der Hand der Gattin des früheren Vizekönigs von Indien erhielt: „Sie […] bot eine Vorführung, auf die jeder Mann stolz sein würde. Ihre langsamen Rollen, scharfen Wenden und Loopings waren genauso sauber, exakt und gut wie die besten, die wir je gesehen haben.” „The Aeroplane“, die führende britische Flugzeitschrift, bezeichnete Fastenrath als „außerordentliche Kunstfliegerin“. Und der „Völkische Beobachter“ erwähnte voller Stolz „Ilse Fastenrath, die Kunstflüge vorführte, wie man sie in England überhaupt noch nicht gesehen hat.“
In der Öffentlichkeit präsentierte sich Ilse Fastenrath als junge Frau mit Flugbegeisterung, doch ohne große Ambitionen oder Allüren. Ilse ließ sich auch gern in dem – nach ihren Angaben – vom eigenen Vater entworfenen Hosenrock abbilden, der weibliche Eleganz mit sportlicher Praktikabilität verband: Der Rock besaß hinten eine große Falte und vorn eine durchgehende Knopfleiste, unter der sich eine Hose verbarg. So konnte Fastenrath innerhalb weniger Sekunden von einem angemessen weiblichen Auftreten zu einer für die Fliegerei praktischen Bekleidung wechseln. Ilse erzählte immer wieder gern die Anekdote, wie entsetzt sich alle Männer nach ihr umdrehen würden, sobald sie die Knöpfe des Rockes öffne, da sie annahmen, dass sie sich entkleiden würde. Hinter der vermeintlich heiteren Episode verbarg sich allerdings das tatsächliche Problem einer Kleidung, die sowohl den Ansprüchen an eine schickliche Bekleidung für das weibliche Geschlecht (und womöglich Vater Fastenraths eigenen Vorstellungen von einem „anständigen“ Auftreten der Tochter) entsprach als auch den praktischen Erfordernissen des Pilotenlebens, mit denen Vater und Tochter bestens vertraut waren.
Während eines Fliegertreffens in Ungarn hatte Ilse Hans-Jürgen Brehmer, einen Hauptmann und Staffelkapitän bei der deutschen Luftwaffe, kennengelernt. Mit ihm als Begleiter nahm sie 1937 am Internationalen Sternflug nach Paris teil. Nach der Eheschließung mit Hans-Jürgen noch im selben Jahr stellte sie ihre Flugauftritte ein – ihr Mann war der Meinung, dass ein Flieger in der Familie genügen würde. Dieses Schicksal teilte Ilse mit vielen Fliegerinnen ihrer Generation, denn im gesellschaftlichen Verständnis der Zeit wurde die Fliegerei von Frauen als ein „Austoben“ betrachtet, das in die Phase zwischen Schul- oder Ausbildungsabschluss und Eheschließung gehörte und dann zugunsten der wirklichen Aufgabe als Ehefrau und Mutter aufzugeben war. Nationalsozialistische Rollenvorgaben für Männer und Frauen hatten diese Erwartungen nur noch verstärkt. Ob Ilse das Ende ihrer fliegerischen Betätigung bedauerte, ist nicht überliefert. Sicherlich wäre ihre Fliegerei aber mit ihrem Leben als Mutter dreier kleiner Kinder, die sie in den Folgejahren zur Welt brachte, nur noch schwer zu vereinbaren gewesen. Und dann begann ohnehin der Krieg. Nach dem Krieg nahm Ilse die Fliegerei nicht wieder auf, blieb aber dem Flugsportverein ihrer Heimatstadt Plettenberg eng verbunden. Sie verstarb am 21. April 1998 in Erkrath-Hohendahl bei Düsseldorf.